Wissenschaftliche Kommunikation (ein Seminar)

Mittwoch, 22. Oktober 2008

"Kultur am Scheideweg" von Arnold J. Toynbee

Die nächste Aufgabe, der Nächste Eintrag. Diesmal sind Eindrücke zu einem Essay von Arnold J. Toynbee (um den Bogen zum letzten Eintrag zu spannen: dem letzten Universalhistoriker), „Kultur am Scheideweg“, gefragt. Auch auf die Frage was meiner Meinung nach einen Essay ausmacht soll eingegangen werden.
Um dies zu tun, werde ich diesen Essay als Prototyp des Essays schlechthin ansehen. Dies ist erforderlich da ich in dieser Zeit nicht tausende Essays lesen will/kann und auch keine allgemeinen Definitionen von Essays lesen will.
Ausgangspunkt also: „Kultur am Scheideweg“ = Essay. Essay = „Kultur am Scheideweg“.



Toynbee beginnt mit einer Frage: „Wiederholt sich die Geschichte?“ Doch wieso stellt er sich genau diese Frage, angenommen es gibt unendlich viel Fragen, wieso dann diese? Genau darauf wird in der Einleitung eingegangen: Weil sie sich schon viele gestellt haben; weil sie wieder aktuell ist (1949) und weil Herr Toynbee dazu etwas zu sagen/schreiben hat. Genau das ist die Daseinsberechtigung oder, etwas schwächer formuliert, die Intention eines Essays.



Ob sich die Geschichte wiederholt ist aber nicht die eigentliche Frage des Autors (an sich selbst). Vielmehr geht es um die Auswirkungen dieser Wiederholung oder eben Einzigartigkeit von Ereignissen. Muss die Geschichte sich wiederholen oder kann sie es nur? Wenn sie es nur kann, kann jeder einzelne oder eine Gesellschaft sie beeinflussen oder liegt diese Möglichkeit zum Ausbruch aus der Endlosschleife nicht in „unserer“ Hand (Geist, Willen, …).



Wäre dieser Text kein Essay müsste jetzt der aktuelle Stand des Wissens in dieser Frage umrissen, neue Quellen gefunden, geforscht, usw. werden. Nicht so beim Essay, auf der zweiten Seite schon schreibt Toynbee, dass er jetzt offen seine eigene Meinung bekanntgibt:


„Seine Art, das Rätsel des menschlichen Lebens zu lösen, ist nicht die deterministische. Er glaubt daran, dass dort, wo menschliches Leben ist, auch Hoffnung wohnt und dass der Mensch mit Gottes Hilfe Herr seines Schicksals ist, zumindest zu einem Gewissen grad und in gewisser Hinsicht.“


Gott wohnt nicht in wissenschaftlichen Aufsätzen (nach einer Definition des Autors dieses Blogs über Wissenschaft), in Essays darf er das allerdings. Genauso wie Meinungen. Unbegründete Meinungen (Bitte mir nicht zu unterstellen ich halte Gott für eine unbegründete Meinung, ich meine nur Gott und unbegründete Meinungen kommen in Essays aber nicht in wissenschaftlichen Aufsätzen vor!).



(Anm.: Die unbegründete Aussage hier ist nicht, dass der Mensch mit Gottes Hilfe Herr seines Schicksals ist, sondern, die Gleichstellung einer deterministischen Welt mit einer hoffnungslosen; meiner Meinung nach)



Im nächsten Teil ist sehr schön zu sehen wie diese doch etwas unhandlichen Fragen auf einfachere heruntergebrochen werden um sie dann am Schluss wieder zusammenzuführen (z.B.: Was ist Geschichte? Gibt es andere zyklische Erscheinungen denen sich der Mensch nicht entziehen kann?); ein weiteres Erkennungsmerkmal eines Essays.



Im Weiteren werden Beispiele gebracht die die Antworten des Autors auf diese Fragen veranschaulichen. Hier steht auch nicht eine Beweisführung im wissenschaftlichen Sinn im Vordergrund, sondern eine Veranschaulichung der Sachverhalte. Es wird nicht versucht Dinge zu beweisen (was wohl bei sozial- und geisteswissenschaftlichen Fragestellungen sowieso nicht möglich ist), sondern sie plausibel zu machen. Eine sehr angenehme Art der Argumentation, wenn man vom Inhalt der vorigen Klammer ausgeht.



Die Verfolgung dieser Gedanken, die Beantwortung seiner Fragen, mit Untermauerung durch Analogien und Beispielen führen Toynbee dann zu folgender Schlussfolgerung:


„Wenn die menschliche Geschichte sich wiederholt, so tut sie das in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Lebensrythmus des Weltalls (!); die Bedeutung dieser Wiederholung aber liegt in dem Ziel der Weiterentwicklung, das sie allem Geschaffenen setzt. In diesem Sinne enthüllt sich das Wiederholungsprinzip in der Geschichte als ein Werkzeug der Freiheit schöpferischer Tat und nicht als ein Zeichen, dass Gott und Mensch die Sklaven des Schicksals sind.“



Doch hier noch nicht genug! Nicht Beantwortung der Frage war das Ziel Toynbees. Wenn man erkennt, dass der zyklische Untergang nicht deterministisch über uns hängt wie das Schwert des Damokles, man vielmehr die Geschichte beeinflussen kann wäre es ja auch von Vorteil vorzuschlagen was man tun sollte. Auf diese Forderungen soll hier nun aber nicht weiter eingegangen werden.



Abschließend kann ich nur sagen, wenn dieser Essay also für alle Essays steht, dann mag ich die Form des Essays sehr. Angenehm zu lesen, schöne und anregende Ideen, geschmückt mit Beispielen und Antworten auf längst gestellte Fragen die wohl in wissenschaftlichen Aufsätzen nie geklärt (oder auch nur angesprochen) werden könnten. Hoffentlich werde ich wenn ich groß bin einmal ein Essayist! (der allerdings an ein deterministisches Universum und die unerträgliche Leichtigkeit des Seins (kontinuierliche (im Sinne einer sich nicht wiederholenden) Zeit) glaubt)

Donnerstag, 16. Oktober 2008

"Powerpoint-Profis mit Kurzzeitgedächtnis"

Der Artikel „Powerpoint-Profis mit Kurzzeitgedächtnis“, erschienen in der Süddeutschen Zeitung Nr. 231 vom 4./5. Oktober 2008 und verfasst von Kaspar Renner, kritisiert einen neuen Masterstudienlehrgang der Freien Universität Berlins.


Genau wie Kaspar Renner möchte auch ich hier nicht den Studienlehrgang detaillierter beschreiben, auch bei mir steht die Kritik (in dem Fall an seiner Kritik) im Vordergrund. Herr Renner beginnt seinen Artikel mit einer Gegenüberstellung des idealen Gelehrten (dem „Universalhistoriker“) und den zukünftigen Absolventen dieses Masterstudiums die er als Brotgelehrte bezeichnet (sprich Gelehrte denen es unmöglich ist Gesamtzusammenhänge zu erkennen). Falls dies den zukünftigen Absolventen noch nicht genug beleidigt, fügt er noch den Begriff des „auf Fragen der Vergangenheit spezialisierten PR-Agenten“ ein. Weiters bezeichnet er die armen Studenten als zukünftige „Kalenderblatt“ -Autoren oder Produzenten geschichtlicher Doku-Soaps.
Auch wenn Herr Renner die theoretische Rechtfertigung der Gründer dieses Studienlehrgangs durchaus gelten, lässt so befürchtet er doch, dass durch die konkrete Architektur des Masters, die Ausbildung in, seiner Meinung nach, entscheidenden Kernkompetenzen eines Historikers zu kurz kommt: Der Recherche und der Quellenkritik.



Auf den konkreten Aufbau des Studiums geht der Autor folgendermaßen ein: Aus den sieben Modulen werden zwei ausgewählt die noch am ehesten „echten“ geschichtlichen Innhalt versprechen. Aus einem dieser Module wird eine angebotene Vorlesung gewählt und aus dem anderen eine theoretisch mögliche Vorlesung. Da die anderen fünf Module nicht wirklich Geschichte (sondern Präsentations-, PR- und Managersachen) sind folgert Herr Renner, dass Absolventen in diesen zwei Jahren etwas über das NS-Regime und die DDR gelernt (also so richtig gelernt) haben.
Genau so funktioniert der ganze Artikel:



Universalhistoriker gut - Brotgelehrter schlecht
Recherche und Quellenkritik gut – PR, Präsentieren, Kommunikation schlecht



Einen detaillierten Lebenslauf des Herrn Renner habe ich leider nicht gefunden (ebenso wenig wie er einen detaillierten Studienplan), deshalb bleibt auch mir nichts anderes über als Vermutungen anzustellen. Herr Kaspar Renner sieht sich selbst als einen „richtigen“ Universalhistoriker der die objektive Wahrheit durch Recherche und Quellenkritik zu finden vermag und diese dann auch ohne unnötige Marketing-Module kommunizieren kann. Herrn Renner bleibt die Hoffnung, dass alle Absolventen nach Ihrem „public history“ sich wieder der Wahrheit zuwenden und die wahre Geschichte studieren; mir bleibt die Hoffnung, dass auch promovierte Historiker (wie Kaspar Renner?) erkennen, dass die „Wahrheit“ (was immer das sein mag) erst durch Kommunikation entsteht.



Zusammenfassend: Ich sehe auch die vom Autor angesprochenen Probleme eines solchen Studiums (vor allem ist es sehr bedenklich wenn ein Studium wie das der Geschichte nach Marktkriterien beurteilt werden soll). Unfaire Kritik, gepaart mit Vermutungen, Beleidigungen und unsinnigen Thesen über die Wahrheit sind aber unter meiner Würde (was der vorletzte Absatz wohl eindrucksvoll bestätigt!).

Montag, 13. Oktober 2008

Der erste Eintrag meines ersten Blogs

Ich heiße alle anderen und mich selbst aufs herzlichste willkommen.
Die erste Aufgabe der Lehrveranstaltung "Praxis der wissenschaftlichen Kommunikation" wurde mit der Erstellung dieses Blogs bravourös gemeistert. Weitere werden folgen und zwar aufgrund meines Masterstudiums der Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien.
Nächste Aufgabe:
Kritische Analyse Text Wissenschaftsjournalismus. Folgende Vorgangsweise: Zuerst auf der Homepage (http://geschkult.fu-berlin.de/e/fmi/studium/masterstudium/public_history/) über das Masterstudium informieren, selbst Gedanken machen wie ich einen Artikel darüber schreiben würde (zuerst allgemeine Informationen, dann Kritik (find ich gut/schlecht, brauchbar/unbrauchbar, will ich dass andere studieren / nicht studieren, will ich studieren / nicht studieren, ...)), dann Zeitungsartikel lesen und vergleichen. Der Zeitungsartikel soll ja eher bösartig sein, nicht zuviel davon beeinflussen lassen... also, bis zum nächsten Eintrag.
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